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„Smart Meter“-Umstellung in Vorarlberg: Kluger Helfer oder kleiner Spion?

Leitartikel Haus & Grund Nr. 2/März-April 2019:

Am Anfang der Smart-Meter-Einführung steht eine von der Europäischen Union (EU) im Jahr 2012 beschlossene Richtlinie. Diese besagt, dass bis 2020 80 Prozent der Verbraucher mit intelligenten Verbrauchserfassungssystemen auszustatten sind, wenn die Einführung intelligenter Zähler als kostenwirksam angesehen wird. Die Umsetzung wäre somit also nicht verpflichtend gewesen. Nur 16 der insgesamt 28 EU-Mitgliedsstaaten haben sich bisher dafür entschieden. Einige Staaten „überlegen“ noch. Belgien, Litauen und Tschechien verzichten gänzlich darauf. Österreich hingegen möchte die Vorgaben erfüllen, hat die gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen und hat bereits in Oberösterreich, dem Burgenland, Niederösterreich und Wien mit der Umstellung begonnen. In Vorarlberg laufen gerade die Vorbereitungen, um in rund 180.000 Haushalten die gängigen Ferraris-Zähler gegen Smart Meter zu tauschen.

Digitale Stromdatenübertragung

Im Gegensatz zum bisher üblichen Ferraris Zähler, der schlicht den Gesamtstromverbrauch erfasste und einmal jährlich direkt vor Ort abgelesen werden musste, kann der digitale Smart Meter detaillierte Stromverbrauchsdaten messen, sammeln und die Daten direkt dem Netzbetreiber übermitteln. Außerdem haben die Konsumenten online, am Computer, Tablet oder Smartphone, die Möglichkeit einen ausführlichen Überblick über den persönlichen Verbrauch zu erhalten. Darin sieht die E-Control einen wesentlichen Vorteil des Smart Meters. Wer den eigenen Verbrauch gut kenne, könne sein Verhalten dementsprechend anpassen und somit könnten Energie und Kosten gespart und gleichzeitig die Umwelt geschont werden.

Die zeitnahe Aufzeichnung des Verbrauchs – alle 15 Minuten – und die dadurch festgehaltenen Werte bieten also laut Angaben der Vorarlberg Netz GmbH zunächst den Kunden die Möglichkeit, gezielt Strom zu sparen. Tarife könnten in Zukunft deshalb eventuell flexibel und individuell gestaltet werden. Des weiteren wird der Komfort-Faktor, das Fernablesen, als Vorteil gelistet. Die smarten Stromzähler sollen ebenso ein schnelleres Freischalten, aber auch Abschalten bei Einzügen oder Auszügen umsetzbar machen. Durch die Datendichte solle eine Lokalisierung und Behebung von Fehlerquellen rascher als üblich möglich sein.

Überwachung und Manipulation

Fritz Loindl vom Netzwerk Stop Smart Meter sieht die österreichweit aktive Organisation nicht als Gegner der Netzbetreiber. Vielmehr als konstruktives Gremium, das auf die Nachteile des Smart Meters aufmerksam machen will. Große Nachteile sieht er in der möglichen Überwachung von außen. „Der Smart Meter ist ein Instrument, das Daten sammelt und weitergibt. Diese Daten sind wertvoll und können genaue Auskünfte über das Verhalten des Einzelnen in den eigenen vier Wänden geben. Das ist Überwachung.“ Loindl erklärt auch, warum der Fernzugriff, der häufig als Vorteil des intelligenten Messgerätes genannt wird, ein Problem darstellt. „Der Fernzugriff öffnet Tür und Tor für Manipulation. Es gibt keine sicheren Daten und es gibt kein sicheres digitales System. Der Strom kann aus der Ferne ganz einfach – auch von Hackern – abgedreht werden.“ Ein Beispiel von Datenmanipulation nennt Loindl. In Malta ließen sich neun Mitarbeiter des dortigen Stromanbieters von Endkunden bezahlen und senkten deren Verbrauchsdaten. Dabei enstand ein Schaden in Höhe von 30 Millionen Euro.

Belastung durch Elektrosmog?

Elektrosmog ist im digitalen Zeitalter ein omnipräsentes Thema. Johannes Türtscher, Geschäftsführer der Vorarlberger Energienetze GmbH, gibt hier Entwarnung und erklärt, dass die vorgegebenen Grenzwerte unterschritten würden und verweist gleichzeitig darauf, dass die Messgeräte, anders als Smartphones, die auch Elektrosmog erzeugen, nicht direkt am Körper getragen würden. Smart-Meter-Gegner Loindl teilt diese Einschätzung nicht. Die Powerline Communication Technologie (PLC) ist eine Variante der Datenübertragung über die Stromleitung. „Bei der PLC-Lösung agiert jeder Smart Meter als Repeater und Verstärker. Das heißt, alle Datensignale – aus diesem Netz – sind auf der Leitung. Dadurch entsteht eine ständige Belastung durch Elektrosmog“, erklärt er. Außerdem könne diese hochfrequente Technologie Auswirkungen auf Geräte im Haushalt haben. Er berichtet unter anderem von stehengebliebenen Funkuhren und Dimmern, die plötzlich selbständig agieren.

Wahlmöglichkeit

Wer schon jetzt – noch vor der flächendecken Umstellung – einen Smart Meter möchte, kann sich ganz einfach an den Netzbetreiber wenden. Dieser ist laut Einführungsverordnung für intelligente Messgeräte dazu verpflichtet, diesem Wunsch innerhalb von sechs Monaten nachzukommen. Bei der Installation kann der Konsument aus drei verschiedenen Optionen auswählen. Die Standard-Variante speichert alle 15 Minuten die Messwerte und übermittelt den Tagesverbrauch an den Netzbetreiber. Die Opt-In Variante speichert und übermittelt die Messwerte alle 15 Minuten an den Netzbetreiber – hierzu ist eine ausdrückliche schriftliche Zustimmung des jeweiligen Konsumenten nötig. Die dritte Alternative ist das sogenannte Opt-Out. Hier muss seitens des Kunden eine Ablehnung in schriftlicher Form erfolgen. Dann wird zwar der Smart Meter auch installiert. Die intelligenten Funktionen werden jedoch deaktiviert. Für Loindl stellt dies keine richtige Wahlmöglichkeit dar. Denn in jedem Fall wird der alte Zähler – auch wenn noch voll funktionsfähig – durch einen neuen, smarten ersetzt. Loindl wirft ein: „Die Smart Meter werden aus der Ferne deaktiviert, wer garantiert den Konsumenten, dass ihr Zähler aus der Ferne nicht wieder aktiviert wird?“

Rechnungshof übt Kritik

Im Jänner 2019 präsentierte der Rechnungshof den Bericht zur Einführung intelligenter Messgeräte und übt darin scharfe Kritik an der Vorgehensweise des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend und der E-Control. Die Hauptkritikpunkte liegen darin, dass zum Erlass-Zeitpunkt der Verordnung keine seriöse und objektive Kosten-Nutzen-Analyse vorlag und man sich mit den Themen Daten- und Konsumentenschutz nicht genügend auseinandergesetzt hat. Der Rechnungshof kam außerdem zu dem Schluss, dass die Öffentlichkeit weder über den Smart Meter selbst noch über die Umstellungskosten – diese werden übrigens von den Konsumenten getragen – genügend informiert worden wären. Die E-Control rechnet mit Kosten von 950 Million bis 1,10 Millionen Euro. Der Rechnungshof betont, dass die Höhe der Kosten für die Kunden unklar ist, da bis zum heutigen Tag immer noch keine seriöse Kosten-Nutzen-Analyse vorläge.

Mit dem Nutzen, also dem Einsparpotenzial pro Haushalt, setzt sich ein Gutachten der Unternehmungsberatung Ernst & Young aus dem Jahre 2013 auseinander. Bis zu 0,5 Prozent – Loindl meint aktuell wären bis zu 0,6 Prozent möglich – könnten hier im Jahresverbrauch gespart werden.Bei einem durchschnittlichen Verbrauch wären das knapp 5 Euro.